Polizeiaufbau in Afghanistan: Einladung als Sachverständiger zur öffentlichen  Anhörung im Bundestag-Innenausschuss am 15.12.2008 
                   
                    1. 
                    Afghanistan – Status quo und Zukunftsperspektiven 
                    Auch nach sieben Jahren Aufbauarbeit ist die afghanische Regierung trotz aller Bemühungen zu schwach, um sich aus dem entstandenen System von Begünstigungen und Rücksichtnahmen auf traditionelle Machteliten zu lösen und eine nachhaltige Entwicklung des Landes mit breiter Unterstützung der Bevölkerung zu gewährleisten.1 Im Gegenteil, die Sicherheitslage ist schlechter geworden. 
                    Zumindest in Deutschland denken viele Menschen, dass der Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen ist und erinnern sich an das Scheitern der damaligen Weltmacht Sowjetunion in den Jahren 1979 bis 1988 an den Mudjaheddin oder der Amerikaner 1965 bis 1975 am Vietcong. 
                    Alleine die geostrategischen Besonderheiten, - eine 2500 km lange Grenze zu Pakistan und unzugängliche Regionen – führen zu unüberwindbaren Schwierigkeiten. Fliegt man von Karachi nach Kabul (wozu der Verfasser einmal Gelegenheit hatte), überquert man endlos erscheinende zerklüftete Bergmassive mit unzähligen kleinen Tälern – eine unzugängliche Topographie, die sich für Drogenanbau und als Fluchtregion bestens eignet, von der aus mit Unterstützung paschtunischer Stämme Guerillaaktionen gestartet werden. Auch die Bundesregierung räumt ein: „Die Grenze mit Pakistan wird praktisch nicht kontrolliert.“2 
                    Die USA und ihre westlichen Verbündeten sind allerdings weit davon entfernt, die Undurchführbarkeit ihrer Ziele einzuräumen. In Teilen der ISAF herrscht die Vorstellung, man könne solche Regionen erst „säubern“ und sich dann um den Wiederaufbau kümmern. Der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberst Bernhard Gertz, erklärte definitiv: „Ein militärischer Sieg über die Taliban ist aussichtslos.“3 Der Militärfachmann verweist darauf, dass die nicht kontrollierbare Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan durch Paschtunen-Gebiet verläuft. Außerdem bringe man weder die Rückzugsgebiete, Nachschubbasen oder Rekrutierungscamps der Taliban in Pakistan unter Kontrolle noch 7000 Koranschulen, in denen die Taliban jeden Tag neue Kämpfer rekrutieren. 
                    Auch die Bundesregierung betrachtet die Sicherheitslage, wie sie betont, mit Sorge, die durch eine Strategie des Terrors, durch Bombenanschläge und Selbstmordattentate beeinträchtigt sei. 90% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle würden sich allerdings auf den Süden und Osten des Landes konzentrieren.4 Doch lässt sich für die Zukunft eine bereits eingetretene negative Entwicklung erkennen. Der Taliban-Kommandeur Qari Bashir Haqqani kündigte an: „Wichtig ist, die Deutschen in Kunduz zu bekämpfen und zu töten. Die Deutschen sind der wichtigste Feind im Norden, und wegen ihrer Stationierung in Kunduz wird diese Stadt bald zum Kandahar des Nordens.“5 
                    Inzwischen ist in der öffentlichen Auseinandersetzung Kritik nicht mehr zu überhören. Ein Rückhalt in der deutschen Bevölkerung besteht nicht, die zu Zweidritteln den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ablehnt.6 Je mehr sich Deutschland in den Krieg verstrickt, desto stärker werden deutsche Soldaten und Polizisten zur Zielscheibe des Terrors. 
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                  Kriegsverbrechen  in Afghanistan – Einziger Gewinner ist die Rüstungsindustrie (Beitrag in: Reiner Diederich/Gerhard Löhlein (Hg.), Entfesselte Wirtschaft - Gefesselte Demokratie, S. 184-202, Frankfurt a.M. 2009) 
                  Nach den Verlautbarungen der Bundesregierung dient ihr Engagement in Afghanistan dem dauerhaften Frieden, wirtschaftlicher Stabilität und einem verantwortungsbewussten Staatswesen (BReg., AFG-Konzept: 10, 14). Dabei unterliegt die Bundesregierung dem Irrtum, dass die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung diese Ziele teilt und den deutschen Beitrag begrüßt. 
                    Da Afghanistan eine Drehscheibe des internationalen Terrorismus ist, wird angeblich auch die deutsche Freiheit am Hindukusch verteidigt. Die deutsche Aufbauhilfe für Militär und Polizei, aber auch das Bekämpfen von Aufständischen, verfolgt die hehre Absicht, Afghanistan zu befrieden und den Behörden die Demokratie zu lehren. 
                    Zu fragen ist: Mit welchem Ergebnis und zu welchem Preis? 
                    I. 
                    Dokumentation einer Kriegswoche in Afghanistan 
                    1. Mai 2009 
                    In der Provinz Sabul im Süden Afghanistans, die als Hochburg der Taliban gilt, greifen Aufständische einen Konvoi der Sicherheitskräfte an. 15 Taliban-Kämpfer werden getötet. Über Opfer auf Seiten der Truppen wird nichts bekannt. 
                    Nach dem Terrorismus-Jahresbericht der US-Regierung machen die Attacken im Irak, Pakistan und Afghanistan 55 Prozent der Terroraktionen weltweit aus. Das Terrornetz El Kaida habe nach dem Bericht des US-Außenministeriums weltweit an Boden verloren. 
                    Einen Tag nach Beginn einer neuen Taliban-Offensive namens „Nasrat“ (Sieg) sind im Bezirk Achin der östlichen Provinz Nangarhar nach Taliban-Angaben fünf amerikanische Soldaten durch eine Landmine getötet worden. 
                    55 Taliban-Kämpfer in Pakistan getötet. 
                    2. Mai 2009 
                    Trotz der jüngsten Anschläge auf die Bundeswehr mit dem Tod eines Soldaten bekräftigt Kanzlerin Angela Merkel (CDU): „Wir wollen das Land stabilisieren, und zwar weil es im deutschen Interesse ist, dass von dort nie wieder Terroranschläge über die Welt kommen können wie am 11. September 2001.“ 
                    Ähnlich hatten sich zuvor bereits Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) während seines Afghanistan-Besuchs und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) geäußert, unmittelbar nachdem sich die Anschläge ereignet hatten. Eine Bundeswehr-Patrouille war in der Nähe des Feldlagers Kundus im Norden des Landes in mehrere Hinterhalte geraten. Bei einem Feuergefecht kam der Soldat ums Leben und neun wurden verletzt. 
                    Der Leichnam des gefallenen Soldaten trifft auf dem Militärflughafen Köln-Wahn ein. 
                    Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) stellt den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr in Frage. „Dass Soldaten im Auslandseinsatz ihr Leben riskieren, macht uns ratlos und bekräftigt immer wieder Zweifel an dem eingeschlagenen Weg, aus dem es doch keinen einfachen Ausstieg gibt“, sagt der EKD-Vorsitzende Wolfgang Huber in Würzburg. 
                    3. Mai 2009 
                    Bei einer Straßenkontrolle in der Nähe der westafghanischen Stadt Herat wird ein 13-jähriges Mädchen durch Schüsse italienischer Soldaten getötet. Außenminister Franco Frattini habe die Nachricht mit „tiefer Bestürzung“ aufgenommen. 
                    Aufständische aus der Taliban-Hochburg Swat-Tal in Pakistan sind in die Nachbardistrikte Buner und Dir eingesickert. Bei Gefechten kommen nach offiziellen Angaben 250 Aufständische und 13 Regierungssoldaten ums Leben. Tausende Zivilisten sind auf der Flucht. 
                    Im Swat-Tal haben Taliban-Rebellen nach Medienberichten zwei Unterhändler der Regierung enthauptet. 
                    Dutzende Tote bei Kämpfen in Afghanistan. In der Provinz Helmand werden vier Zivilisten, davon zwei Kinder, durch einen Sprengsatz getötet, der auf dem Marktplatz explodierte. Helmand gilt als Hochburg der radikal-islamischen Extremisten. 
                    4. Mai 2009 
                    In Afghanistan haben die Aufständischen ihren Einfluss bis kurz vor Kabul ausgedehnt, in Pakistan rücken sie immer näher an Islamabad heran. 
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                  Afghanistan, die Position der Bundesregierung - mittelfristig zum Scheitern   verurteilt? (Auszug aus meinem Buch "BKA - Polizeihilfe für Folterregime",   S.255-263) 
                  
                    
                      
                        AFGHANISTAN  
                        1.  Die Position  der Bundesregierung  
                        Nach den Ausführungen des Bundesinnenministeriums war die internatio- nale Staatengemeinschaft in Afghanistan gezwungen zu intervenieren, weil  die Taliban das Land zu einer Drehscheibe des internationalen Terrorismus  gemacht hatten. Deshalb werde, wie der Slogan insinuiert, »die deutsche Freiheit am Hindukusch«  verteidigt. Außerdem wurden Menschenrechte massiv missachtet, Frauen und Mädchen  das Recht auf Bildung abgespro-  chen, öffentliche Hinrichtungen praktiziert und der Alltag der Bürger gegän- gelt und drangsaliert.  
                          »Wir  unterstützen Afghanistan dabei,  ein  Stabilitätsfaktor in  dieser schwierigen Region zu werden.«734  
                          Um  Sicherheit,  Rechtsstaat und wirtschaftliche Entwicklung  zu errei- chen, fördere die Bundesregierung zusammen mit der internationalen Gemeinschaft die afghanische Regierung.  
                          Auf den Konferenzen in  Tokio (2002), Berlin (2004) und London (2006) hat Deutschland 80   Millionen Euro pro Jahr zugesagt. Sie sollen für den zivilen Wiederaufbau verwendet werden und sind für den Zeitraum  bis 2010 gedacht. Im Jahr 2007 wurden die Mittel auf 100 Millionen  pro Jahr erhöht. Insgesamt hat die Bundesregierung seit 2002  für den Wiederaufbau Afgha- nistans über 550 Millionen  Euro zur Verfügung gestellt  und bis 2010 weitere  
                          400 Millionen  Euro zugesagt.735  
                          Außerdem belief sich der Schuldenerlass auf 73 Millionen  Euro.  
                        Der UN-Sicherheitsrat entschied am 20. Dezember 2001   über den Einsatz der Schutztruppe International Security  Assistance Force (ISAF), an der sich  mit Beschluss des Deutschen  Bundestags am 22. Dezember 2001   (jährliche  Verlängerung) die Bundeswehr mit rund 3200  Soldaten beteiligt.  Deutsch- land  stellt das drittgrößte Kontingent  und trägt als Führungsnation die  Ver- antwortung in der Nordregion. Sie ist in Kunduz und Faisabad stationiert.  Eine Erhöhung der Truppen auf 4400 bis 4800 Soldaten ist geplant. Im März  
                          2007 beschloss der Bundestag zusätzlich den Einsatz von 6 Tornado-Aufklä-  rungsflugzeugen, deren Einsatzgebiet ganz Afghanistan ist. Insgesamt sind in der von der NATO geführten ISAF-Schutztruppe 
                          42 000 Soldaten  im Einsatz. 
                                              
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                  Evaluierung der Sicherheitslage in Afghanistan anlässlich meiner   Inspektionsreise Ende Oktober 1984 im Auftrag des Auswärtigen Amtes   (Auszüge)  
                  
                    
                      Im Jahre 1931 wurde Afghanistan eine konstitutionelle Monarchie. Am 17.07.1973 erfolgten durch einen unbluti gen Staatsstreich der Sturz von König Zahirund die Umwandlung in eine Republik. Der zum Staats-  und Ministerpräsidenten ernannte  General Daoud wurde am 27.04.1978 während eines Militärputsches ermordet und die Macht von Nur Mohammad  Taraki und seinem  Stellvertreter Hafisullah Amin übernommen.  
                        Der Umsturz bedeutete eine grundlegende außen-  und gesellschaftspolitische Umorientierung. Maßgebend war nunmehr die der   kommunistischen und sozialistischen Ideologie na  bestehende  Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA), die für Bodenreform und nvolksdemokratische Errungenschaften eintritt, gegen "Imperialismus, Kolonialismus und  Feudalismus" kämpft und die Freundschaft zu den Staaten  
                        des sozialistischen Lagers betont.  So kam es auch im Dezember 1978 zu einem 20jährigen Freundschaftsvertrag mit  der UdSSR. Die überstürzten Maßnahmen Tarakis und Amins schürten jedoch  den Widerstand traditionell denkender  Gruppen und der islamischen Bevölkerungsteile. Nach um  sichgreifenden Aufständen der Moslembevölkerung stürzte Amin am 16.09.1979 Taraki. Am  27.12.1979 erfolgten die Ermordung Amins und unter  Berufung auf den Freundschafts  vertrag der Einmarsch sowjetischer Truppen. Neuer Staats präsident wurde Babrak Karmal.  
                        Das Regime Karmal konnte sich nach Meinung westlicher Beob achter innerhalb fünfjähriger Regierungszeit nicht kon solidieren. Dies  hat folgende Ursachen:  
                        - präfeudale afghanisehe Gesellschaftsstruktur  
                        - traditionelle Unabhängigkeit ethnischer Gruppen  
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