Dieter Schenk
Schlusswort Hosenfeld-Tagung am 21.1.2005 in Lodz
Vor über einem Jahr auf der Autofahrt zwischen Warschau und Bromberg erzählte ich Herrn Prof. Witold Kulesza vom Leben und Sterben des Wilm Hosenfeld. Ich berichtete von meinem Kontakt zur Familie in Fulda und von einer Veranstaltung in Bad Hersfeld, in der Herr Dr. Helmut Hosenfeld aus Briefen und Tagebüchern des Vaters las.
Prof. Kulesza ist ein sensibler und politisch aufmerksamer Mann, der die Geschichte sofort aufgriff, die nicht nur bedeutungsvolle Bezüge zu Polen aufweist, sondern auch wegen des Polanski-Films eine gewisse Popularität genoss.
Als Chef der Hauptkommission veranlasste Herr Kulesza sofort Recherchen, und er nahm Kontakt mit dem damaligen israelischen Botschafter in Warschau, Schewach Weiss, auf.
Anlässlich einer Dienstreise nach Jerusalem intervenierte Prof. Kulesza zugunsten von Wilm Hosenfeld, dessen Akten in der Gedenkstätte Yad Vashem bereits geschlossen worden waren. Die Verantwortlichen hatten entschieden, Wilm Hosenfeld nicht als „Gerechten unter den Völkern“ auszuzeichnen, weil man sich unbegreiflicherweise auf Ergebnisse des sowjetischen Geheimdienstes aus der Zeit des Stalinismus stützte. Ob der Versuch, die Akten noch einmal zu öffnen erfolgreich war, blieb bisher unbeantwortet.
Schließlich nahm Prof. Kulesza mit seiner Gattin im Juli vergangenen Jahres an der Präsentation des Buches in Berlin teil und lernte bei dieser Gelegenheit Familie Hosenfeld kennen.
Auch unterrichtete er in Warschau und Lodz die Medien über den ungewöhnlichen Hauptmann der deutschen Wehrmacht, der jeden zu retten versuchte, wenn er dazu in der Lage war.
Wilm Hosenfeld war nicht nur ein Freund der Polen, sondern der Menschen schlechthin . Und er ist ein liebevoller Ehemann und warmherziger Familienvater gewesen und ein fortschrittlicher Lehrer, wie wir aus dem Munde seines ältesten Sohnes erfuhren.
Es ist uns als deutschen Gästen dieser Veranstaltung nicht Pflicht sondern Bedürfnis, die Orte des Schreckens, an denen viele deutsche Väter und Großväter gewütet haben, in Lodz und Pabianice kennen zu lernen. Es waren unsere Väter und Großväter, die Geschichte darf sich nicht in Anonymität auflösen. Deshalb sind wir hier. Wir teilen das Leid der polnischen Bürger, die durch Massenmord, Verlust der Freiheit, Erniedrigung, Sklavenarbeit und Ausbeutung gelitten haben, worüber Herr Sławomir Abramowicz berichtete.
Es gab Opfer und Täter. Frau Staatsanwältin Anna Galkiewicz ermöglichte uns Einblick in das Schicksal von zwei Mordfällen, wie sie so oder so ähnlich zum schrecklichen Alltag zählten.
Auch wenn wir als Folgegenerationen keine Schuld tragen, lastet die Hypothek der Nazigräuel auf uns Deutschen. Es bedeutet uns nicht Ent-Lastung, aber doch tiefe Befriedigung, dass es Menschen wie Wilm Hosenfeld gab, die aufrechte Gesinnung, christliche Nächstenliebe und beispielhafte Humanität über soldatische Pflicht und Gehorsam gegenüber einem barbarischen Regime stellten – selbst unter Einsatz ihres Lebens. Dank des Referates von Herrn Dr. Thomas Vogel können wir uns darüber ein umfassendes Bild machen.
Und Herr Prof. Dr. Kulesza unterstrich unter anderem, dass Hosenfeld nicht Polen etwa diffamierte, sondern dass ihm ein Feindbild fehlte, er Verständnis dafür zeigte, dass sein polnischer Gesprächspartner Brut inständig wünschte, die Deutschen sollen den Krieg verlieren. Herr Kulesza betonte, dass wir die wirkliche Zahl der Menschen, die Hosenfeld rettete oder denen er half, nicht kennen. Und Herr Kulesza entschuldigte sich als polnischer Generalstaatsanwalt dafür, dass in der Nachkriegszeit die polnische Staatsanwaltschaft nicht alles Menschenmögliche unternommen habe, Wilm Hosenfeld zu retten, das heißt ihn aus sowjetischem Gewahrsam zu befreien.
Herr Prof. Kulesza ist Initiator und Motor beim Zustandekommen dieser Tagung, wofür wir, die deutschen Gäste, ihm sehr, sehr herzlich danken.
Da ich hinter die Kulissen der umfangreichen Vorbereitungen schauen durfte, möchte ich im Namen der deutschen Teilnehmer den unermüdlichen Organisatoren Dank sagen, nämlich
Herrn Dyrektor Marek Druzka und seinem Team von der Abteilung des IPN in Lodz und
Herrn Dyrektor Antoni Galinski und Frau mgr. Marta Siwik von der Hauptkommission.
Die sprichwörtlich überragende polnische Gastfreundschaft zu erfahren, haben wir deutschen Teilnehmer an diesen drei Tagen Gelegenheit. Es erwartet uns ein erlesenes Rahmenprogramm, von einer historischen Straßenbahn bis zu Musik von Mendelsohn-Bartholdy und Musorgski in der Lodzer Philharmonie. Hierfür haben Sie, verehrte Herren Stadtpräsidenten von Lodz und Pabianice, wesentliche Bedingungen geschaffen, wofür ich herzlich in aller Namen Dank sage.
Wir alle sind von der Tagung und dem attraktiven Programm beeindruckt, freuen uns hier zu sein, Kontakte zu knüpfen und Gedanken auszutauschen.
Wir schließen die Tagung, nachdem wir über das Unheil des Kriegs, über Macht und Machtmissbrauch, aber auch über menschliche Größe erfahren haben.
Ich danke den Veranstaltern, ich danke der Referentin und den Referenten und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. |