Melanie Spitta 1946-2005, © Carmen Spitta De Jonck

 

 

Dieter S c h e n k                                                                                15. März 2008 

MELANIE  SPITTA

Ich lernte Melanie Spitta, eine im Wohnwagen geborene Intellektuelle, 1980 kennen. Als Leiter der Kriminalpolizei Gießen veranstaltete ich damals eine Podiumsdiskussion über « Sinti und Polizei » als Fortbildungsveranstaltung für Polizeibeamte, um zur Deeskalation des angespannten Verhältnisses zwischen Sinti und Polizei beizutragen, das von vielen Vorurteilen belastet ist. Melanie – wir haben uns natürlich nicht gleich geduzt - nahm als Sprecherin des Sinti-Verbandes als Podiumsmitglied teil. Sie war von einer solch offenen Behandlung des Themas überrascht und angenehm berührt, sodass sich zwischen ihr und mir und meiner Frau Christine eine Freundschaft bis zu ihrem Tode entwickelte. Für mich war es ein Erlebnis, wie sie auf temperamentvolle und entwaffnende Art in der erwähnten Veranstaltung den Polizistinnen und Polizisten einen Spiegel vorhielt.

Unmittelbar nach der Veranstaltung reiste Melanie, wie sie sagte, von Gießen nach Mainz zum ZDF weiter, wo sie wegen eines Filmprojektes eine Besprechung hatte. So lernte ich sie gleich zu Anfang auch als « Filmemacherin » kennen.

Im Laufe der Jahre kam es zu einer Reihe von gegenseitigen Besuchen in Frankfurt bei ihr und in Wiesbaden bei uns. So lernten meine Frau und ich durch Melanie auch Frau Katrin Seybold kennen und schätzen, die mit Melanie die Filmprojekte realisierte.

Der Kontakt zwischen Melanie und mir bestand aber vor allen Dingen telefonisch und war insofern recht intensiv, als wir uns regelmäßig anriefen. Manchmal waren die Zeitintervalle groß, zum Beispiel in Krankheitsphasen von Melanie. Wir tauschten unsere Gedanken aus – privat und beruflich.
Melanie berichtete mir jeweils über ihre einzelnen Filmprojekte, erzählte aber auch bei Treffen und in den Telefonaten über sich, ihre Familie und Sinti, so dass ich beiläufig immer mehr über Hintergründe erfuhr. Irgendwann entschloss ich mich, der ich ohnehin nebenberuflich schriftstellerisch tätig war, ein Jugendbuch über dieses Thema zu schreiben, das schließlich als Rotfuchs-Taschenbuch im Rowohlt-Verlag erschien : « Der Wind ist des Teufels Niesen – Die Geschichte eines jungen Zigeuners » (1988).
Als ich sie in der Entstehungsphase des Buches fragte, ob Sie mit mir die Sinti-Siedlung in Bad Hersfeld besuchen wolle, da ich mir auf diese Weise einen guten Kontakt für die Recherche versprach, antwortete sie mit ihrer manchmal verblüffenden Offenheit: „Bist Du verrückt, Du bist doch bei der Polizei!“

So wie ich von Melanie viel über die Verfolgung des Sinte-Volkes in der NS-Zeit und die Diskriminierungen bis in die Gegenwart erfuhr, profitierte Melanie von meinem Fachwissen. Viele ihrer Fragen betrafen gesetzliche Grundlagen für das polizeiliche Vorgehen gegen Sinti, Polizeivorschriften, Polizeiorganisation, Fachliteratur zur Problematik. Eine ihrer ständigen Fragen, jeweils bezogen auf einen gerade akuten Sachverhalt, den sie für ein Filmprojekt untersuchte, lautete : Warum verhält sich die Polizei so oder so, darf sie das, gibt es eine Ermächtigungsgrundlage? Wie war das im Dritten Reich geregelt ?
Da ich mich nach meinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst (1989) wissenschaftlich mit der NS-Zeit befasste, konnte ich ihr z.B. Unterlagen der Gestapo kopieren und sonstige Erkenntnisse vermitteln über das verbrecherische NS-Programm der « Vorbeugenden

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